400 Jahre Ötlinger Rathaus 1616 - 2017

Ötlinger Rathaus

1617 - 2017

 

 

Rathaus Geschichten !!!

 

Das Rathaus als Schulstandort und Sitz des Dorfpolizisten ( zum Vorlesen )

Nur ganz alteingesessene Ötlinger wissen noch, dass der heutige Sitzungssaal des Ötlinger Rathauses in Zeiten der Schulraumnot als Ausweichstandort herhalten musste.

Bevor am 10. Februar 1962 die Eduard-Mörike-Schule eingeweiht und bezogen wurde, verteilten sich die Ötlinger Schulklassen auf insgesamt fünf Standorte: auf das Alte Schulhaus an der Stelle der heutigen Mörike-Apotheke, das Neue Schulhaus  ( heutiges Vereinshaus in der Stuttgarter Straße ), das Evangelische Gemeindehaus, die alte Turnhalle des TSV Ötlingen und eben das Rathaus. Es muss so ums Jahr 1951 oder 1952 gewesen sein, als meine Klasse für eine Übergangszeit im Rathaus „beschult” wurde.

Während heutzutage eine Klassenschülerzahl von 30 als „sozial-verträglich” gilt, war es in jener Zeit keine Seltenheit, dass bis zu 45 Schüler in einer Klasse waren, weil des Öfteren auch jahrgangsübergreifend unterrichtet wurde. Als Vertretungslehrer hatten wir damals den in Ötlingen auch als Kirchenchorleiter überaus verdienstvollen Lehrer und späteren Rektor Rudolf O..

Er war für gnadenlose Konsequenz und eine harte Hand bekannt, er fackelte nicht lange und war deshalb respektiert, teilweise aber auch gefürchtet. Insbesonderes eine mit dem Fingerknöchel verabreichten „Kopfnüsse” mit Beulengarantie waren legendär.

Eines schönen Schultages hatte mein Mitschüler Hans G. durch Begriffsstutzigkeit und Arbeitsunlust den Zorn des gestrengen Herrn auf sich gezogen. Er zerrte ihn in einem Anfall von Jähzorn ans offene Fenster der Rathausostseite und schrie ihn dabei an:

„Di häng e jetzt an de Hosaträger zom Fenschder naus!!”

Durch die nicht in die Tat umgesetzte Androhung war Hans sprichwörtlich „im Glück”:

vielleicht hätten die Hosenknöpfe nicht gehalten.

Eine weitere im Rathaus „residierende” Autoritätsperson war der Dorfpolizist und „Schupo” Eberle, bei den Ötlingern nur als „d’r Eberle” bekannt, assistiert von seinem Amtsboten oder „Büttel” Eugen G., der Amtsnachrichten in Ötlingen mit der „Schell” ausrief und in Personalunion auch noch Feld- und Flurhüter, kurz„Feldschütz”, war.

Als Kind und Jugendlicher vermied man es wie die Pest, mit den beiden amtlich in Kontakt zu kommen, wurde man doch sonst gnadenlos aufs Rathaus „zitiert”. Dies wäre den Eltern nicht zu vermitteln gewesen, die die Schuld nicht – wie heute üblich – bei anderen, sondern zuvörderst bei einem selbst suchten.

Eberle hatte weder Dienstwagen noch Dienstmotorrad, er war mit dem Fahrrad „on tour”, dessen Technik er aber perfekt beherrschte und mittels dessen er beachtliche Geschwindigkeiten erzielte.

Die Geheimwaffe von Eugen G. war sein Schäferhund Hasso, der ihn auf seinen „Flurgängen” begleitete. Wenn wir Jugendliche uns im Ötlinger Wengert im Herbst des „Obstmundraubs” schuldig machten, mussten immer zwei Mann sichern, ob der Feldschütz nicht mit seinem vierbeinigen Begleiter ohne ausgeprägte Beißhemmung in der Ferne im Anmarsch war.

Verfasser: Dr. Ernst Kemmner - wir danken herzlich!

Ötlinger Nachrichten

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